Dr Michael Adam und Sarah Underberg vom Ärztenetz BOHRIS betrachten aktuelle Entwicklungen mit Sorge.

Dr. Michael Adam und Netzmanagerin Sarah Underberg vom Ärztenetz BOHRIS ©Sven Betz

09.22.2022

Suche nach einem Arzt in Bocholt wird immer schwieriger

Ärztenetz BOHRIS rechnet damit, dass sich Situation weiter verschärfen wird

Hier geht es zum originalen Artikel des BBVs, von Barbara-Ellen Jeschke

Bocholt, 22.09.2022 – Nahezu jeder kennt es das lange Warten auf einen Arzttermin und auch die Suche nach einem Arzt wird immer schwieriger. Finden Patienten, die neu nach Bocholt kommen oder aus anderen Gründen wechseln müssen noch einen Hausarzt?

Dr. Michael Adam und Sarah Underberg vom Ärtzenetz Bohris treibt diese Frage Sorgenfalten auf die Stirn. „Wir haben hier schon seit Jahren das Problem, dass wir ein sogenanntes unterversorgtes Gebiet sind. Der Hausärztliche Versorgungsgrad, der eigentlich bei 100 Prozent liegen sollte, liegt nur bei 81,8 Prozent“, erklärt Adam. Hinzu komme, dass der Anteil der Hausärzte mit einem Alter über 60 Jahren bei 38 Prozent liege, sodass sich die Situation in den nächsten Jahren verschärfen werde. Aktuell seien zwei Mediziner im Gespräch, die ihre Praxis zum 31. Dezember aufgeben werden. Zwar sei das Ärztenetz mit Ärzten im Gespräch, sich hier in der Region niederzulassen, ob sich das verwirklicht, ist allerdings offen. Und selbst wenn ein Nachwuchsarzt gefunden wird, geht die Suche weiter, denn es mangelt ebenso an Medizinischen Fachangestelten.

Darüber hinaus werde sich die sowieso schon angespannte Lage weiter zuspitzen, sollte die geplante Änderung der Neupatienten-Regelung durch das Gesundheitsministerium durchgesetzt werden. Bisher erhalten Praxen ein Extrabudget für Neupatienten, damit sollte ein Anreiz für Extrasprechstunden geschaffen werden. Diese Budgetierung soll nun abgeschafft werden.

Neupatienten werden dann auf das Gesamtbudget der Praxen angerechnet. „Dementsprechend gibt es für Hausarztpraxen, die ja eh schon überlaufen sind, keinen Anreiz neue Patienten aufzunehmen. Was natürlich in solchen Gebieten wie bei uns ein absoluter Nachteil ist. Grundsätzlich können wir dann damit rechnen, das insbesondere bei den Fachärzten, wo wir hier ja teilweise schon acht bis neun Monate auf einen Termin warten, das Warten auf Termine in der Zukunft noch länger wird“, sagt Underberg. Sie sieht es zudem als schwierig, dass Bocholter sich überhaupt an einen Hausarzt binden können.

Die geplante Regelung würde Praxen dazu bringen, Sprechzeiten zu verkürzen beziehungsweise die Aufnahme von Neupatienten zu blockieren, so Adam. „Wir arbeiten ja sonst unter einem Budget und wenn dieses Budget überschritten wird, dann darf ich zwar weiter arbeiten, aber es erfolgt zum Nulltarif.“ Er rät Patienten, deren Hausarzt in den nächsten Jahren in den Ruhestand geht, dies mit dem Mediziner zu besprechen. „Es wäre schön, wenn die in den Ruhestand wechselnden Hausärzte sich mit den Kollegen absprechen würden.“ Underberg ergänzt: „Wenn man zuzieht, sollte man sich definitiv frühzeitig um einen Hausarzt bemühen und nicht erst am Tag des krank seins. Es kommt ja häufig vor, dass man nur eine Krankschreibung braucht und wird überall abgelehnt.

Seit 2016 gibt es das Ärztenetz Bohris, welches sich in Zusammenarbeit mit den Kommunen und weiteren Kooperationspartnern bemüht, sowohl medizinischen Nachwuchs für die Region zu gewinnen als auch die ambulante Versorgung zu sichern und den Austausch unter den Ärzten zu fördern. Diese Zusammenarbeit sei im Bereich der Ärtzekammer Westfalen-Lippe einzigartig, sagt Adam. Während die Mediziner des Ärztenetzwerks vor allem den Kontakt zu jungen Kollegen suchen, schaffen zeitgleich die Kommunen Anreize etwa durch Kita-Plätze oder finanzieller Art. Allein die aktuelle Quote der Hausärztlichen Versorgung in den nächsten Jahren zu halten, sei ein Erfolg, so Underberg. Während Mediziner früher ihre Praxen, „ihr Lebenswerk“, gut verkaufen konnten, müssen sie teilweise heute einfach aufgeben. Dies will das Ärztenetz möglichst verhindern. Um die angespannte Situation zu verdeutlichen, wählt Adam ein Bild: „Jetzt nehmen wir mal die Gasspeicher, die sollen zum 1. November möglichst bei 95 Prozent sein. Sind sie jetzt nur bei 81,8 Prozent und wir haben einen harten Winter, dann haben wir ein Problem und so ist es hier auch.“